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lp2022

Lehrpreis 2022 - Glaubwürdigkeit und Leidenschaft

Wettbewerbsbeitrag zum Leitthema:
Lehre(n) in und aus der Pandemie – Erfolgreiche Verknüpfung von digitalen und analogen Lehr-Lern-Settings

Einführung

Für meinen Wettbewerbsbeitrag habe ich den Titel Glaubwürdigkeit und Leidenschaft gewählt, weil das Merkmale meiner Lehre sind.

Warum ich das denke, erkläre ich in meiner Lehrpreis-Bewerbung.

Diese Webseite ist dazu da, meinen Wettbewerbsbeitrag mit modernen Medien zu unterfüttern. Es geht im Wettbewerb schließlich um digitale Lehre. \\Ein in ein pdf umgewandeltes Word-Dokument entspricht in der Form nicht dem multimedialen Ansatz, der eine der Stärken der digitalen Lehre ist:
Form follows function.
Deshalb habe ich hier wenigstens Videoschnipsel meiner Vorlesungen eingebettet, um meine Erfahrungen und Konsequenzen der Lehre in Corona-Zeiten besser mitteilen zu können.

Beispiel: Applied Measurement and Control (AMC, EE_4.03)

Dieses Modul bildet den Abschluss einer eng verzahnten Serie aus vier Kursen des Studiengangs “Environment and Energy”, für die ich verantwortlich bin und die ich selbst lehre. Die Modul-Serie besteht aus:

  1. Scientific Programming (EE_2.06)
    → 2. Semester, Aufbereitung und wiss. Auswertung von Umweltdaten mit Python in Jupyter Notebooks
  2. Physics 2 (EE_2.03)
    → 2. Semester, Solare Einstrahlung und Atmosphäre, Klimawandel, Wärme-Kraftmaschinen, Wärmeverluste in Gebäuden, Berechnungen mit Python in Jupyter Notebooks
  3. Geodata Management Systems (EE_3.07)
    → 3. Semester, Verwaltung und Analyse von raum- und zeitbezogenen Daten mit Geographischen Informationssystemen, Geodatenbanken, sowie Python in Jupyter Notebooks
  4. Applied Measurement and Control (EE_4.03)
    → 4. Semester, Studieren von Sensoren und physikalischen Messprinzipen sowie Bauen eigener elektronischer Umweltmesssysteme inkl. Datenübertragung in die Cloud und Visualisierung in Web-Dashboards

In der reinen Online-Phase in den verschiedenen Corona-Semestern habe ich meine interaktiven Videokonferenzen (VC) mit Teilnahme von Studierenden auf YouTube (YT) live gestreamt und dort auch aufgezeichnet. Die Videos sind “unlisted”, sodass sie nicht durch die YT-Suche gefunden werden können. Ich teile den Streaming-Link mit den Studierenden.

Das ermöglicht ihnen entweder live und interaktiv an der VC teilzunehmen, oder den Videostream live auf YouTube zu verfolgen, wenn die Verbindungsqualität für eine VC zu schlecht ist (manche Studierende weilten im Ausland oder wollen gar nicht mit mir interagieren), oder die gespeicherten Vorlesungsmitschnitte später noch einmal offline anzuschauen und in Ruhe nachzuvollziehen.

Packen und Versenden des AMC-Labor-Materials

Das Sommersemester 2020 war das erste Corona-Semester. Auch wenn die Pandemie bedrückend war habe ich mich anfangs auf die neuen Herausforderung des Distanz-Unterrichts gefreut. Ich wollte mit den Studierenden gemeinsam ausloten, was alles geht. Der Kurs AMC lebt davon, dass Studierende selbst Umweltmesssysteme designen und aufbauen. Für diese praktischen Arbeiten nutzen wir in der Regel mein IoT-Labor, das Fab Lab am Campus Kamp-Lintfort sowie das Green Fab Lab. Das war aber nicht möglich. Viele Studierende steckten außerdem in ihren Heimatländern fest. Ich wollte wissen, wie weit wir gehen können. Uterstützt von meiner Fakultät Kommunikation und Umwelt kaufte ich Labor-Materialien (Elektronik-Bauteile und Sensoren), wie wir sie auch vor Ort genutzt hätten, stellte Experimentierkästen zusammen und schickte sie zu den Studierenden nachhause. Das hat sehr gut funktioniert! Wir waren handlungsfähig und konnten gemeinsam an verteilten Orten unsere praktischen Übungen durchführen.

Zusammenstellen und Packen der AMC-Pakete, SS2020.
amc2020_car_boot_992.jpg
Auf dem Weg zur Post, SS2020.

Setup meines Open-Source-Broadcasting-Systems

  • Free and Open Source (FOSS)-Videokonferenzsystem Jitsi, voll DVGVO-konform (anders als Webex, Teams, oder Zoom)
  • Eigener selbst installierter Jitsi-Server auf eigens gemietetem Netcup-Server (mit zentralem offiziellem Jitsi-Server als Fallback)
  • OBS als Kern-Komponente für Boradcasting, auf meinem Labtop installiert (OBS = Open Broadcaster Software)
  • Mein altes Android-Smartphone als Personal Webcam, angebunden über USB und die Software DroidCam
  • Mein neues Android-Smartphone als Dokumentenkamera (DocuCam), angebunden über Wifi und die Software Iriun Webcam
    (gut zu bedienender Fokus und Zoom)
  • Massiver Mikrofonständer als Halterung für mein DocuCam-Smartphone.
  • Billiges Over-Ear-Headset mit 3.5 mm Klinkenstecker und Mikrofon (Bluetooth mit extra Dongle nervt)
  • Eigener YouTube-Kanal für Video Streaming und Video Recording
  • YouTube (YT)-Videos sind als “Non-Listed” veröffentlicht:
    Man muss den Link kennen, um sie zu schauen, mit YT-Suche nicht auffindbar.

Genutzte Digitale Plattformen

  • Discord: Mein wichtigster Kommunikationskanal mit meinen Studierenden
  • Moodle: Kurs- und Gruppenorganisation (mehr nicht)
  • Wiki teawiki.net: Bereitstellung von unterstützenden Materialien
  • Wiki wiki.eolab.de: Plattform für die Studierenden zur Dokumentation ihrer Projekte
  • AMC github repo: Verteilung von kurs-relevantem Beispiel-Code
Beispiel einer Discord-Diskussion im Kanal AMC SS2021.

Startphase einer Vorlesung

  • Information an die Studierenden über den AMC-Channel unseres Discord-Servers für den Studiengang E&E, wann und wo wir uns treffen (virtuell)
  • Aufbau meines Open Source Streaming-Systems
  • Öffnen der Jitsi-Session
  • Warten auf Teilnahme der Studierenden
  • Starten des Video Streamings von OBS nach YouTube (unlisted)
  • Überprüfen der Streaming-Verbindung
  • Teilen des Streaming Links mit den Studierenden über unseren Discord-Channel

Erläuternde Vorlesungsmitschnitte

Anhand der folgenden Video-Beispiele zeige ich didaktische Aspekte, die technische Nutzung meines Broadcast-Systems, verschiedene Interaktionen mit Studierenden sowie die Verzahnung mit anderen Modulen, eignen wie fremden.

Schnipsel 1: Vermeidung von Konversation durch Studierende

Studierende scheuen sich in der Regel, Fragen verbal zu stellen oder gar ihre Kamera einzuschalten, obwohl das von mir aufgebaute System das erlauben würde. Ich habe viel Zeit und Geld investiert, das zu ermöglichen, aber die Studierenden nehmen diese maximale Konversationsmöglichkeit nicht wahr. Aus Angst, Fehler zu machen, tippen sie lieber in den Chat! Das nervt mich kolossal an (wie übrigens auch andere Lehrende)! Es ist extrem ermüdend, stundenlang in einen Bildschirm voller schwarzer User-Kacheln ohne audio-visuelles Feedback zu reden. Manchmal konfrontiere ich die Studierenden mit meiner Situation. Für kurze Zeit ändern sie ihr Verhalten, aber in der Regel fallen sie wieder zurück in den Zustand minimaler Konversation.

In dem Video-Beispiel beziehe ich mich auf Kenntnisse, die die Studierenden aus Math 1 (1. Sem., E&E) sowie Physics 2 (2. Sem., E&E) gelernt haben sollten. Die Rück- und Querverweise sind mir extrem wichtig, um den Studierenden vor Augen zu führen, dass sie immer das vorher Gelernte verinnerlichen müssen. Es geht ihnen oft nur um das Bestehen einer Prüfung. Mir geht es aber um das tiefe Verstehen von Zusammenhängen und den Aufbau von Kompetenzen zur fächerübergreifenden Problemlösung!

“So you see what we are teaching you is something useful also in later classes.”
Live-Diskussion mit Studierenden über den Jitsi-Chat.
Hier benutze ich Papier und meine DocuCam. (AMC - 2021-05-18)

Schnipsel 2: Interaktive Übungsaufgabe, wenig Motivation

Eine etwas schleppende Übungsaufgabe, die ich mit den Studierenden online rechne. Auch hier nutzen die Studierenden die Interaktionsmöglichkeiten nicht sondern verharren im Modus minimaler Konversation. Es ist schwer, die Teilnehmer:innen zu motivieren!

“What is R times C?”
Live-Übung mit Studierenden, die minimales Feedback zeigen.
(AMC - 2021-05-18)

Schnipsel 3: Nutzung von Github, dem wichtigsten Software-Verwaltungs-Tool

Hier zeige ich den Studierenden, wie sie die für den Kurs relevante Beispiel-Software aus meinem AMC2021 Github Repository herunterlanden können.

Schnipsel 4: Nutzung von Python, wiederkehrender Gebrauch in anderen Modulen

Dieses Beispiel zeigt, wie ich Python in Jupyter Notebooks nutze, um Berechnungen durchzuführen. Diese Datenanalyseumgebung bringe ich den Studierenden im 2. Semester im Kurs “Scientific Programming”. Die Studierenden und ich nutzten diese Umgebung bereits in Physics 2 (2. Sem.) sowie Geodata Management (3. Sem.). Auch hier zeige ich den Studierenden nebenbei, dass alle Kurse (nicht nur meine) miteinander verzahnt sind. Sie erkennen dadurch oft Mächtigkeit und Marktrelevanz der eingesetzten Systeme. Scientific Programming zur Datenanalyse ist heute das Fundament vieler Jobs im Bereich von Umwelt und Energie. Ich werde nicht müde, den Studierenden zu erklären, dass sie dadurch echte Wettbewerbsvorteile auf dem Arbeitsmarkt haben!

Dieses Beispiel zeigt auch, wie ich mit meinen eigenen “Fehlern” umgehe! Das ist absolut entscheidend für die Lehre! Ich freue mich, Fehler zu machen und den Studierenden zu zeigen, wie ich mit ihnen umgehe und korrigiere. In diesem Moment bin ich ein “Role Model”. Wenn wir stets bestrebt sind, Fehler zu vermeiden, dann lernen wir nichts. Das “Scheitern” ist die wirkliche Auseinandersetzung mit dem Problem. Es bereitet Unbehagen. Wenn wir dann trotzdem bei der Sache bleiben und das Problem lösen, dann wird unser körpereigenes Belohnungssystem aktiviert. Wir freuen uns und sind stolz, diese Hürde gemeistert zu haben. Ohne schwierige (aber nicht unmögliche) Hürde, die es zu überspringen gilt, bleibt diese sinnliche Erfahrung aus. Dieses “Ja, ich habe es geschafft, aus meiner eigenen Kraft!” geht mit einer Dopamin-Ausschüttung einher. Dasselbe passiert, wenn im Fußball ein Tor geschossen wird. Das ist zutiefst befriedigend und zeigt uns unsere Selbstwirksamkeit. Neurowissenschaftliche Forschung kommt zu dem Ergebnis, dass Dopamin die Neuroplastizität erhöht. Diese positive Erfahrung bleibt besser “hängen”.

Python in JupyterLab zur Vorhersage des AMC-Experiments
und meine überwundenen Fehler. (AMC - 2021-06-01)

Schnipsel 5: Audio-Diskussion mit einer Studierenden zur Lösung ihres Problems

Endlich eine Stimme! :-)

Interaktive Problemlösung beim Aufbau einer elektronischen Schaltung.
Wir diskutieren live über den Audio-Kanal. (2021-06-01)

Schnipsel 6: Erläuterung der Nutzung des Messprinzips zur Bestimmung der Bodenfeuchte

Hier erkläre ich noch einmal die Bedeutung der in AMC eingeführten Technologie für die Umweltwissenschaften. Mithilfe der behandelten kapazitiven Messverfahren lassen sich etwa Bodenfeuchtesensoren bauen. Hier schöpfe ich aus meiner Industrieerfahrung und meiner Dissertation.

Kapazitive Messverfahren zur Bestimmung der Bodenfeuchte.
Motivation des Gelernten für E&E (AMC - 2021-06-08)

Schnipsel 7: Audio-Diskussion zur Fehlersuche und Nutzung von Discord

Dieser Video-Ausschnitt zeigt eine Diskussion mit einer Studierenden, die Probleme bei der praktischen Umsetzung des behandelten Schaltplans im realen experimentellen Aufbau zuhause hat. Die Aufgabe der Studierenden ist es, mit dem ihr zugesandten Experimentiermaterial eine komplexe elektronische Schaltung zu realisieren. Den Schaltplan für diese Hausaufgabe hatte ich ein paar Tage zuvor über Discord mit den Studierenden geteilt. Im Video sieht man den in Discord hochgeladenen Schaltplan in vergrößerter Ansicht. Nach der Diskussion schließe ich die Ansicht und man sieht kurz Discord.

Gemeinsames Trouble Shooting (Audio) und Nutzung von Discord.
(AMC - 2021-06-08)

Schnipsel 8: Demonstration des fertigen Versuchsaufbaus

In diesem Beispiel erweitere ich den Versuchsaufbau eines kapazitiven Näherungssensors mit einem Summer (beeper). Ich demonstriere, wie wir aus der Aluminium-Abdeckfolie eines Transportbehälters meines favorisierten indischen Restaurants einen kapazitiven Sensor bauen. Man sieht, wie ich von dem geteilten Bildschirm, der das verwendete Mikrocontroller-Programm zeigt, zur DocuCam wechsle und in den Schaltungsaufbau hinein zoome. Später nehme ich die DocuCam (mein Smartphone!) aus der Halterung, um Details zu zeigen. Etwas später zeige ich die Kurven der Messdaten gleichzeitig mit meiner Hand, die sich dem kapazitiven Näherungssensor nähert. Damit wird der Zusammenhang zwischen der Nähe meiner Hand und den Messdaten unmittelbar deutlich.

Demonstration des selbst gebauten kapazitiven Näherungssensors.
(AMC - 2021-06-08)

Schnipsel 10: Verweis auf Arbeiten einer Kollegin

Hier schlage ich eine Brücke zu den Arbeiten einer Kollegin der physikalischen Chemie aus E&E, die die Eigenschaften von Brennstoffzellen mithilfe der Impedanzspektroskopie untersucht.

Bezug zu anderen Fächern (AMC - 2021-06-08)

Schnipsel 11: Motivation zum Selbststudium, Verweis auf weiteres Material

Motivation zur weitergehenden Nutzung des Materials (AMC - 2021-06-08)

Schnipsel 12: Verweis auf AMC-Kursmaterial auf teawiki.net

Im Jahr 2013 habe ich mein Teaching Wiki teawiki.net aufgesetzt, weil zu dieser Zeit Moodle vollkommen unzulänglich war, wenn es darum ging, schnell und interaktiv im System Content zu entwickeln. teawiki.net ist eine meiner Sammlungen von Lehrmaterialien.

Früher habe ich ausschließlich teawiki genutzt, um etwa meine Folien, Übungsaufgaben oder andere erläuternde Materialien wie Videos mit den Studierenden zu teilen. Mittlerweile gehe ich mehr und mehr dazu über, mein Material in Git (auf github oder gitlab) bereitzustellen. Vor allem der Kurs CS231n: Convolutional Neural Networks for Visual Recognition der Stanford University hat mich dazu inspiriert.

Der Videomitschnitt unten zeigt auch, wie ich Videos in teawiki.net einbette und für die Lehre benutze.

Verweis auf teawiki.net (AMC - 2021-06-15)

Schnipsel 13 und 14: Videos von Studierenden zur Demonstration der aufgebauten Umwelt-Messsystemen

AMC ist ein sehr motivierender Kurs. Der Do-it-yourself-Charakter mit frühen Erfolgserlebnissen macht den Studierenden Spaß. Anfangs scheint alles ganz einfach. Die Erfahrung der Selbstwirksamkeit verleiht Flügel. Hinten heraus werden die selbst gewählten Projekte teilweise sehr komplex, aber viele Studierende “beißen sich fest” und meistern die selbst gesetzten Ziele.

Zur Dokumentation von AMC verwenden die Studierenden das Wiki meines Earth Observation Labs (wiki.eolab.de). Diese Form der Dokumentation lehrt die Studierenden die Bedeutung und Nutzung von Wikis. Der Aufbau eigener, auf Wunsch öffentlicher Webseiten mit eigebetteten Videos ist eine weitere Motivation dafür, die Sache gut zu machen.

Zwei hervorragende Projekte sind:

Schnipsel 15: Beispiel für eine Hybrid-Veranstaltung im SS2022

Im wesentlichen habe ich das live-Broadcasting für einen einzigen Studenten durchgeführt, der nicht in Kamp-Lintfort sein konnte, um ihm die Gelegenheit zu geben, während der Veranstaltung Fragen zu stellen. Die übrigen Studierenden, die im IoT-Lab der Veranstaltung beiwohnten, nutzen später die Video-Aufzeichnungen des Broadcasts.

Hybride Labor-Veranstaltung, Erklärung der Pulsbreitenmodulation.
(AMC - 2022-04-12)
lp2022.txt · Last modified: 2022/11/28 19:32 by rolf